Der Innovationspreis Neue Gase 2024 wurde im November in Berlin vergeben. Für „g – Das Gasmagazin“ ein willkommener Anlass, Vertreter der vier Gewinner – Schaeffler, RWE Gas Storage West, Schott AG und Rh2ein-Main Connect – zu einem Round Table einzuladen. Gemeinsam bilden die Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette eines zukünftigen Wasserstoffmarkts ab.
Zunächst einmal herzliche Glückwünsche an Sie alle vier. Lassen Sie uns heute gemeinsam über Ihre spannenden Siegerprojekte sprechen, die alle auf ihre Art dazu beitragen könnten, den Aufbau eines Wasserstoffmarkts zu beschleunigen. Frau Koch, Sie sind hier als Vertreterin von Kraftwerke Mainz-Wiesbaden und haben zusammen mit Ihren Partnern den Sonderpreis für Ihr Projekt Rh2ein-Main Connect erhalten. Was macht es so besonders?
Wir sind ein Konsortium aus verschiedenen Stadtwerken, Energieerzeugern und Netzbetreibern. Unsere Idee war, ein interkommunales Netz zu bauen und es an das geplante Wasserstoff-Kernnetz anzuschließen, um so das Rhein-Main-Gebiet zu versorgen. Was das Projekt meiner Meinung nach zeigt, ist, dass es wichtig ist, interdisziplinär und über Jahrzehnte gewachsene Netzgebietsgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten, sodass nicht jeder seine eigene kurze Leitung bastelt. Deshalb freue ich mich auch besonders, heute neben Matthias Kaffenberger von der Schott AG zu sitzen. Sie ist nämlich unsere direkte Nachbarin in Mainz.
Das ist ja das Gute an so einem Preis – er bringt Menschen ins Gespräch. Und Frau Koch und ich stellten gestern bei der Preisverleihung fest, dass KMW und Schott in Mainz zwar Nachbarn sind, wir bislang aber, was das Thema Wasserstoff angeht, nichts miteinander zu tun hatten. Es ist natürlich nicht zielführend, wenn alle ihr eigenes Süppchen kochen, parallel das Gleiche machen, ohne voneinander zu wissen.
Unsere Schornsteine wurden sogar lange für Schott-Schornsteine gehalten, bis wir groß KMW draufgeschrieben haben.
Schott stellt Spezialglas her, eine energieintensive Produktion, jetzt testen Sie, wie realistisch es ist, von Erdgas auf Wasserstoff umzustellen. Seit wann verfolgen Sie dieses Projekt?
Wir haben 2019 angefangen, uns gedanklich damit zu beschäftigen, und schon 2020 im Labormaßstab erste Vorversuche gemacht. Ende 2022 haben wir den ersten großtechnischen Versuch durchgeführt und können heute sagen: Ja, es ist möglich, unsere Produktion mit 100 Prozent Wasserstoff laufen zu lassen. Natürlich nur, wenn wir auch die entsprechenden Mengen von Wasserstoff zur Verfügung haben, wenn die Infrastruktur steht und der grüne Wasserstoff bezahlbar ist, oder aber der Einsatz von Erdgas durch CO2-Bepreisung unattraktiv wird.
Ich frage mich aber, ob es ein vernünftiger Ansatz ist, die Preise der Wasserstoffkonkurrenz künstlich hochzuhalten. Denn das wäre ja keine echte marktgetriebene Konkurrenz – und nur die kann dazu führen, dass Technologien entwickelt werden, die Wasserstoff wirklich günstiger machen.
Schaeffler hat ja eine Technologie entwickelt, eine Beschichtung für Elektrolyseure, die langlebiger, günstiger und leistungsfähiger ist und letztlich die Herstellung von Wasserstoff günstiger machen könnte.
Ja, Schaeffler beschäftigt sich seit rund zwölf Jahren mit dem Thema Produkte für Wasserstoff. Anfangs war das durchaus ein Sprung ins Ungewisse, wir haben nach dem Motto agiert: Wir schauen uns nicht an, was wir haben, sondern versuchen, unser eigenes Potenzial zu verstehen. Und heute existieren zwei Geschäftsfelder, die sich mit Beschichtungen für die Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff beschäftigen. Für uns ist das ein globaler Markt, denn eines ist klar: Ohne Importe wird Deutschland seinen Wasserstoffbedarf nicht decken können.
Herr Cichowski, um international denken zu können, muss natürlich erst einmal die deutsche Infrastruktur stehen. Welchen Beitrag leistet Ihr prämiertes Projekt, der Aufbau eines kommerziellen Wasserstoffspeichers in Epe?
Mit unserem Kavernenspeicher für Wasserstoff sind wir Teil der Get H2-Infrastruktur, das ist eine Initiative mehrerer Unternehmen – von der Erzeugung, dem Transport und der Speicherung von Wasserstoff bis zum Abnehmer – zur Entwicklung der Technologien für die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette. Deutschland hat ja einen riesigen Vorteil, wir sind auf Grund unserer geologischen Gegebenheiten so etwas wie die Speichernation Europas.
Warum setzen Sie auf Kavernen- und nicht auf Porenspeicher?
Porenspeicher, also in der Regel ausgeschöpfte Erdöl- und Erdgaslagerstätten, sind größer als Kavernenspeicher, können aber nur langsam zum Ein- und Ausspeichern genutzt werden. Deshalb bieten sich gerade in der sich entwickelnden Wasserstoffwirtschaft, wo es vorrangig um Geschwindigkeit geht, Kavernenspeicher an.
Ihr seid mit euren Speichern standortgebunden, oder?
Ja, es gibt geeignete Kavernen nur in wenigen Regionen, zum Beispiel im Münsterland, wo wir agieren, Richtung Nordsee und bei Magdeburg. Das heißt natürlich, dass wir nur gemeinsam mit dem Netz funktionieren. Speicher geht nicht ohne Netz und Netz nicht ohne Speicher.
Wie steht es um die Akzeptanz in der Bevölkerung für Ihr Projekt?
Die ist tatsächlich sehr positiv, auch wenn es eine Konkurrenz zur Landwirtschaft gibt und Anwohner, die sich gestört fühlen könnten. Was wir aber erfahren, ist, dass wir mit Wasserstoff ein positives Bild erzeugen, dass Wasserstoff auch als Teil der Energiewende in der Bevölkerung akzeptiert ist.
Ist denn schon klar, wo der Wasserstoff für Ihre Speicher herkommen wird?
Ja, das ist genau der Vorteil, Teil von Get H2 zu sein: Wir haben zwei Erzeuger von Wasserstoff an Bord, weitere werden dazukommen.
Das Jahr 2024 hat einige Veränderungen gebracht. Um nur ein paar Stichworte zu nennen: Kraftwerksstrategie, Genehmigung des Wasserstoff-Kernnetzes und Ampel-Aus. Was bedeutet das für den Hochlauf des Wasserstoffmarkts?
Wir brauchen bei aller gebotenen Eile einen langen Atem. Die Wasserstoffspeicherstrategie wird ja offensichtlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode kommen, was uns zurückwirft. Wir versuchen aber über die Projekte, die aktuell in Planung sind und die gegebenenfalls über weitere Förderungen umsetzbar sind, das Ganze voranzutreiben. Die Umstellung der Speicherlandschaft wird aber dauern, ich gehe davon aus, dass es mindestens 2045 wird, bis alles von Erdgas zu Wasserstoff transformiert ist.
Rh2ein-Main-Connect ist natürlich abhängig von den Entscheidungen der Politik und auf Fördergelder angewiesen, die Gesamtbaukosten für unser Netz betragen immerhin bis zu 610 Millionen Euro. Diese Kosten überprüfen wir aktuell in einer Machbarkeitsstudie, bei der auch die von unseren Kunden und angeschlossenen Verteilnetzbetreibern gemeldeten Mengen verifiziert werden. Für uns als Konsortium ist der Vorteil, dass wir mit vielen Playern agieren, das gibt uns eine gewisse Durchsetzungskraft gegenüber der Politik. Lokal, im Land und auch bundesweit.
Auch für uns bei Schott gilt natürlich: Wir sind bereit. Aber ohne Förderung, die uns den letzten Push gibt, wird es schwierig.
Ihr werdet ja auch angewiesen sein auf die Netzversorgung. Wenn die Netze nicht aufgebaut werden, kommen wir niemals da hin, dass Nutzer wie ihr eure Langzeittests machen können. Alle, die hier an diesem Tisch sitzen, sind nicht in einem Teststadium, sondern wir sind alle am Machen.
Ja, wir haben aber noch ein gutes Stück Weg vor uns. Wir reden hier von einer gesellschaftlichen Umwälzung und von enormen Kosten. Was wir hier bewältigen müssen, bedingt, dass man Kräfte in der Gesellschaft mobilisiert, um ein Commitment auch auf politischer Ebene zu erzeugen. Was die Technologie angeht, ist es für alle Unternehmen wichtig, die sich Innovation auf die Fahne schreiben und so an der Zukunft unseres Landes arbeiten, dass die Förderungen erhalten bleiben.
Was ist außer Förderung nötig, damit das Land Fahrt aufnimmt?
Der Abbau von Bürokratie. Momentan ist es ja ein bisschen skurril: Alle sind sich einig, dass wir zu viel Bürokratie haben, und dann wird ein Gesetz geschaffen, um Bürokratie abzubauen – und raten Sie mal, was bei der Umsetzung passieren wird. Was wir wirklich brauchen, sind schnellere Prozesse, schnelle Entscheidungen und ein Stück mehr Risikobereitschaft.
Aus Anwendersicht muss ich aber auch mal eine Lanze brechen für die Behörden. Um ein Beispiel zu nennen: Als wir unseren Druckgastank aufgestellt haben, waren wir früh dran, zum Thema Wasserstoff gab es da noch keine klaren Richtlinien. Die Genehmigungsdirektion war aber sehr wohlwollend und hat uns sehr unterstützt. Inzwischen gibt es diese Richtlinien. Heißt: Es gibt einen Fortschritt, auch wenn er schneller sein könnte.
Es gibt schon viel, das gut läuft, etwa bei der Zusammenarbeit mit Behörden, wenn es um Genehmigungsverfahren geht. Für unser Projekt, den ersten kommerziellen Wasserstoffspeicher Deutschlands, hatte die Behörde keine Blaupause, von der sie ausgehen konnte, trotzdem haben wir ein komplettes Planfeststellungsverfahren in elf Monaten durchgezogen. Was aber in der Bürokratie stockt, sind die übergeordneten Regeln wie das Beschleunigungsgesetz und andere, was den Hochlauf ein bisschen einbremst.
Angesichts des erheblichen Investitionsvorlaufs und der geplanten hohen Investitionssummen vermissen wir bei unserem Projekt dringend den gesetzlichen Rahmen für Wasserstoff-Verteilnetze. Darüber hinaus bin ich bei Herrn Bagcivan, dass es auf der einen Seite dieses sehr deutsche Regelbedürfnis gibt, auf der anderen Seite aber den Willen, freier zu agieren. Das beißt sich manchmal. Wir gehen jetzt neue Wege. Und einen Mittelweg zu finden zwischen Regeln und Freiheit, das verlangt auch ein sich veränderndes Mindset bei allen Beteiligten.
Dass das möglich ist, hat ja der Aufbau der LNG-Infrastruktur gezeigt, Stichwort: Deutschlandgeschwindigkeit. Die Gesellschaft hat es geschafft, pragmatisch zu agieren, Entscheidungen in kürzester Zeit zu treffen – und genau dieses Mindset brauchen wir jetzt, weil das Projekt Transformation der Energiewirtschaft einen mega Umfang hat.
Ich würde gern noch einmal betonen, was wir schon angesprochen haben: dass es ohne Kooperationen nicht geht. Keiner wird dieses Rad allein drehen können. Und ich würde das Thema erweitern: Es geht nicht nur um die Kooperation zwischen Unternehmen, sondern auch um die Forschungslandschaft. Denn dort fängt meiner Meinung nach die Wertschöpfungskette an.
Viele Unternehmen denken ja immer noch, ihre Idee sei weniger wert, wenn sie sie teilen. Das halte ich für den falschen Ansatz: Man muss Ideen teilen, man muss Innovationen teilen, um sie gemeinsam besser zu machen. Formate wie der Innovationspreis sind Plattformen für Menschen, die bereit sind, das zu tun. Wir brauchen mehr solche Plattformen und mehr Kooperation. Um zum Beispiel die enorme Aufgabe zu stemmen, ein Wasserstoffnetz für Rhein-Main zu bauen, müssen wir kooperieren. Das war uns von Anfang an bewusst. Daher schauen wir über den Tellerrand der Kooperation hinaus, um unser Ziel zu erreichen, die Lücken zwischen Transport- und Ortsnetz zu schließen.
Lassen Sie uns zum Abschluss in die Glaskugel blicken. Was würden Sie gern vermelden, wenn Sie 2026 erneut auf der Bühne des Innovationspreises stehen, um über Ihre Fortschritte zu berichten?
Wir würden gern davon berichten, dass wir dabei sind, unseren Speicher zu füllen. Unser Ziel ist es, dass im Herbst 2026 die erste Kaverne zur Hälfte mit Wasserstoff gefüllt ist. Und wir würden gern vermelden können, dass wir weitere Wasserstoff-Speicherprojekte am Start haben.
Wir hoffen, dass unsere beschichteten Bipolarplatten bis dahin in mehreren Elektrolyseuren auf der Welt im Einsatz sind – und wir bis dahin noch viel Neues gelernt haben.
Ich wünsche mir, dass wir Sicherheiten für die Investitionen hätten, ebenso geeignete Fördertöpfe, sodass wir guten Gewissens eine Investitionsentscheidung für das Startnetz treffen und die Detailplanung vorantreiben können. Und dass wir bis dahin eine Blaupause geworden sind für viele weitere Netzwerke, die miteinander nicht in Konkurrenz stehen, sondern verbunden sind.
Ich hoffe, sagen zu können: Es ging doch alles viel schneller als erwartet.