Seit zwei Jahren forciert die Bundesregierung den Aufbau einer eigenen LNG-Importinfrastruktur. Für einen schnellen Zugang zum weltweiten Markt sorgen schwimmende Terminals, sogenannte FSRUs. Ein Besuch in Brunsbüttel.
Seit zwei Jahren forciert die Bundesregierung den Aufbau einer eigenen LNG-Importinfrastruktur. Für einen schnellen Zugang zum weltweiten Markt sorgen schwimmende Terminals, sogenannte FSRUs. Ein Besuch in Brunsbüttel.
uf unserem Weg Richtung Nordseeküstewird das Dithmarscher Land zusehends flacher, der Blick weitet sich bis zum Horizont. Daran wird sich bis zum Industriehafen Brunsbüttel, kurz bevor die Elbe indie Nordsee mündet, nicht mehr groß etwas ändern. Am Ziel angekommen, weht uns eine steife Brise salzigen Meeresgeruch zu.
Der Elbehafen Brunsbüttel ist Umschlagplatz für Schütt- und Stückgüter, Rohöl und Flüssigerdgas. Hier liegt seit Februar 2023 die Höegh Gannet. Die 294 Meter lange und 46 Meter breite FSRU (Floating, Storage and Regasification Unit), Tiefgang knapp zwölf Meter, ist Teil der kritischen Infrastruktur und hilft dabei, Deutschlands Energieversorgung zu sichern. Entsprechend hoch sind die Sicherheitsvorkehrungen. Wir werden an diesem Tag auf Schritt und Tritt begleitet, vom Bootsmann, dem Ersten Offizier oder dem Kapitän. „Mit unseren FSRUs wie der Höegh Gannet ermöglichen wir Ländern einen flexiblen und langfristigen Zugang zum globalen LNG-Markt“, sagt Daniel Muthmann, der seit einem Jahr bei Höegh LNG für die Geschäftsentwicklung in Deutschland verantwortlich ist. „Wir stellen die notwendige Technik und Technologie zur Verfügung, um sowohl heute die Energieversorgung zu sichern als auch morgen die Energiewende voranzutreiben."
Nach mehreren Absperrungen und einem langen Aufstieg über die Gangway geht es noch ein paar Stockwerke höher, diesmal per Aufzug. Oben begrüßt uns Kapitän Marijan Mazuran, seit 21 Jahren im Auftrag von Höegh auf den Weltmeeren unterwegs. Die norwegische Reederei kann auf eine fast 100-jährige Geschichte in der industriellen Schifffahrt zurückblicken: Rohöltransport, die Beförderung von LPG – und vor genau 50 Jahren stieg man mit Höegh LNG ins Transportgeschäft von Flüssigerdgas ein. Anfang der 2000er konzipierte das Unternehmen ein Shuttle- und Regas-Schiff, einen Vorläufer seiner heutigen FSRUs, und entwickelte sich zum maritimen Energieinfrastruktur-unternehmen. Aktuell ist Höegh LNG mit zehn solcher FSRUs weltweit Marktführer, allein drei davon sind in Deutschland im Einsatz und bieten eine technische Importkapazität von bis zu 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr bei entsprechend ausgebauter Pipelinekapazität an Land.
Für zunächst bis zu zehn Jahre soll die Höegh Gannet in Brunsbüttel verbleiben. Noch teilt sie sich am Gefahrgut-Terminal den Platz mit anderen Frachtern, doch nur so lange, bis die eigene Anlegestelle einige Hundert Meter weiter fertiggestellt ist. Sie entsteht im Auftrag der bundeseigenen Deutsche Energy Terminal GmbH (DET). Die DET ist der Betreiber der schwimmenden LNG-Terminals in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade.
„Der Bund musste vor zwei Jahren sehr schnell Lösungen finden und diese dann ebenso zügig und konkret umsetzen“, so Muthmann. Anfangs noch mit Unterstützung der großen Strom- und Gasunternehmen, bis der Bund mit der DET seine eigene Terminalbetreibergesellschaft aufbauen konnte. Sie schließt in seinem Auftrag Verträge mit Versorgern und Lieferanten, verhandelt Genehmigungen mit Häfen und landseitigen Dienstleistern, etwa für die Bereitstellung von Wärme für den Regasifizierungsprozess – kurz: Die DET sorgt für einen reibungsfreien Terminalbetrieb und die Vermarktung der Regasifizierungskapazitäten der Terminals.
Bei dem LNG-Tanker, der an diesem Tag an der Höegh Gannet festgemacht hat und sein LNG entlädt, handelt es sich ebenfalls um eine FSRU – in einigen Wochen wird sie als schwimmendes Terminal in Stade den Betrieb aufnehmen. „Das ist einer von vielen Vorteilen“, sagt Muthmann. „Eine FSRU kann als schwimmendes Terminal oder als LNG-Frachter eingesetzt werden.“
Auf einem kleinen Zubringerboot sitzend, werden wir bei ordentlich Seegang einmal um die beiden Frachter geschippert. Der Blick vom Wasser auf die riesigen FRSUs ist eindrucksvoll. Dicht an dicht liegen sie, verbunden mit vier massiven Schlauchleitungen, die das Flüssigerdgas von einem ins andere Schiff pumpen.
Insgesamt rund 170.000 Kubikmeter LNG fassen die vier Tanks der Höegh Gannet. Sie haben die Form eines Prismas und bestehen aus einer nur 1,2 Millimeter dünnen Hülle aus kryogenem Edelstahl, eingekleidet in eine dicke Schicht Isolierung. Ein Material, in dem sich tiefkaltes flüssiges Erdgas von minus 162 Grad Celsius lagern und transportieren lässt.
Allzu nah kommen dürfen wir den Tanks nicht, aber auf einem der vielen Monitore im Frachtkontrollraum lässt sich gut beobachten, wie der Pegel langsam steigt. Rund 24 Stunden dauert die Befüllung, während der Regasifizierungsprozess kontinuierlich weiterläuft, erzählt der Erste Offizier Josip Mottoviç, als wir wenig später auf der Brücke stehen. Von hier hat man das Herzstück, die sogenannte Regas-Anlage direkt im Blick. Dort wird das LNG von minus 162 Grad Celsius auf etwa plus sechs Grad Celsius erwärmt, wodurch sich der Zustand von flüssig zu gasförmig verändert und das Gas ins Netz eingespeist werden kann.
In Übereinstimmung mit dem Ziel der deutschen Klimaneutralität ist die Versorgung mit fossilem Flüssigerdgas nur eine Übergangslösung und der Betrieb der LNG-Anlagen bis zum 31. Dezember 2043 befristet. Es sei denn, sie werden dann für klimaneutralen Wasserstoff und dessen Derivate genutzt. Um den enormen Bedarf an Wasserstoff zu decken, ist Deutschland auf Importe angewiesen, die auch aus Ländern kommen werden, mit denen es keine Pipelineverbindungen gibt. Wasserstoff muss daher künftig in flüssiger Form auch per Schiff transportiert werden.
Auch hierbei können die FSRUs von Höegh LNG eine entscheidende Rolle spielen. Insbesondere, da die vorhandene Technik bereits „H2-ready“ ist und mit wenig Aufwand schrittweise umgerüstet werden kann. Ein Derivat mit hohem Wasserstoffgehalt ist Ammoniak. Vorteile: Er lässt sich in Tanks bei moderater Temperatur von minus 33 Grad Celsius befördern, die Produktion wie der globale Transport in industriellen Mengen ist langjährig erprobt und die entsprechende Infrastruktur vorhanden. Um den Wasserstoff aus dem Ammoniak zu lösen, bedarf es der sogenannten Cracker-Technologie, allerdings braucht sie noch viel Energie und Raum.
„Wir arbeiten aber schon seit Längerem an einer effizienten, kompakten Cracker-Unit“, sagt Daniel Muthmann gegen Ende des Besuchs. Gemeinsam mit Industriepartnern treibe Höegh LNG eine technologische Neuentwicklung voran, für die noch in diesem Jahr eine Testanlage in Norwegen in Betrieb genommen werde. „Das Ziel ist, solche Cracker-Units auf unseren Terminals installieren zu können.“
Höegh LNG habe eines ganz klar vor Augen, so Muthmann: „Mit unserer maritimen Infrastruktur wollen wir dem Markt noch vor 2030 einen Zugang zu globalen Quellen für grünen Wasserstoff anbieten, sodass Deutschland bei der Erreichung seiner Importziele gemäß der nationalen Wasserstoffstrategie eine Führungsrolle einnehmen kann.“
Die Tanks auf den neueren FSRUs von Höegh LNG sind für die Lagerung von Ammoniak geeignet, sodass sich die Schiffe in der Übergangsphase als hybride Terminals nutzen lassen. „Mit nur wenigen Modifikationen an Bord könnte man erst mal nur einen Tank für Ammoniak umrüsten und die anderen weiter mit LNG befüllen. Durch einen Ammoniak-Cracker an Bord und die vorhandene Regasifizierungsanlage könnten dann parallel Wasserstoff und Erdgas importiert werden“, so Muthmann. Über ein solches Terminal ließen sich bereits ab 2028 jährlich 70.000 Tonnen Wasserstoff grundlastfähig ins H2-Kernnetz einspeisen. Eine flexible und wettbewerbsfähige Möglichkeit, schrittweise auf umweltfreundliche Energieträger umzusteigen, die schon in wenigen Jahren umsetzbar wäre. Darüber hinaus sind bei Höegh LNG maritime Ammoniak-zu-Wasserstoff-Importterminals in Vorbereitung.
Als wir die Höegh Gannet verlassen, fällt unser Blick auf das einstige Kernkraftwerk, das einige Kilometer elbaufwärts von der untergehenden Sonne bestrahlt wird. Nach 40 Jahren im kommerziellen Betrieb wurde es im Jahr 2011 endgültig stillgelegt. Während mit dem Rückbau des Reaktors eine Ära der Energieversorgung endet, hat mit der FRSU Höegh Gannet eine neue begonnen.