Der Bau eines Wasserstoff-Kernnetzes zählt zu den zentralen Infrastrukturprojekten der Bundesregierung für den Klimaschutz. Dr. Philipp Steinberg, als Abteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium zuständig für Energiesicherheit, erklärt, warum das H2-Netz so wichtig für die deutsche Industrie und das Gelingen der Energiewende ist.
Der Bau eines Wasserstoff-Kernnetzes zählt zu den zentralen Infrastrukturprojekten der Bundesregierung für den Klimaschutz. Dr. Philipp Steinberg, als Abteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium zuständig für Energiesicherheit, erklärt, warum das H2-Netz so wichtig für die deutsche Industrie und das Gelingen der Energiewende ist.
Es bildet das Grundgerüst für den Aufbau einer leistungsfähigen und kosteneffizienten Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland. Ohne Netzinfrastruktur kann der Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft nicht gelingen. Wesentliche Wasserstoffstandorte wie große Industriezentren, Speicher, Kraftwerke und Importkorridore werden an das Kernnetz angebunden. Damit gehen wir in Vorleistung und schaffen Planungssicherheit für die beteiligten Akteure, von Elektrolyseurherstellern über Leitungsbetreiber bis hin zu industriellen Nutzern.
In der ersten Stufe soll das Netz zügig Erzeugungs- und Verbrauchsregionen miteinander verbinden. Über Importkorridore wird auch das Ausland einbezogen. In der zweiten Stufe geht es um den künftigen, bedarfsorientierten Ausbau durch eine turnusmäßige Netzentwicklungsplanung.
Die Netzbetreiber sollen künftig alle zwei Jahre ein Szenario erstellen, das die Basis für einen Netzentwicklungsplan liefert. Die Bundesnetzagentur wird einen solchen Plan erstmals 2026 genehmigen. Um die schrittweise Umstellung von Gasnetz- auf Wasserstoffleitungen zu ermöglichen, erfolgt die Netzentwicklungsplanung inte- griert für Gas und Wasserstoff.
Nach dem Antragsentwurf der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) vom November 2023 soll bis 2032 ein 9.700 Kilometer langes Wasserstoff-Kernnetz entstehen, das Häfen, industrielle Zentren, Elektrolyseure, Speicher und H2-Kraftwerke und Grenzübergabepunkte zu Nachbarstaaten verbindet. Einen finalen Antrag der Netzbetreiber erwarten wir im zweiten Quartal dieses Jahres.
Mit dem zweistufigen Netzaufbau schaffen wir die Infrastruktur für den überregionalen Transport. Alle Bundesländer werden angeschlossen. Damit der Wasserstoff zu den Endkunden gelangt, braucht es Anschlussleitungen sowie regionale und lokale Verteilnetze. Da in Zukunft weniger Verteilnetze für die Versorgung mit Erdgas benötigt werden, können diese teilweise für die Wasserstoffnutzung umgewidmet werden. So können wir Nutzer wie Industriebetriebe, Gewerbekunden, Kraftwerke oder Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen vor Ort mit Wasserstoff versorgen.
Die Netzentwicklungsplanung als zweite Stufe des Netzaufbaus ist dafür das geeignete Instrument. Damit kann das Wasserstoffkernnetz bedarfsorientiert weiterentwickelt werden. Denn viele künftige Bedarfe sind heute noch nicht absehbar oder konkretisieren sich erst im Lauf der Zeit. Weitere Wasserstoffbedarfe können bei der turnusmäßigen Marktabfrage „Wasserstoff Erzeugung und Bedarf“ gemeldet werden.
Erdgasleitungen umzustellen ist günstiger und ressourcenschonender, als Leitungen neu zu bauen. Zudem geht es schneller. Wird eine Leitung von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt, müssen die technischen Vorgaben der Gashochdruckleitungsverordnung eingehalten werden. Die FNB und Sachverständige begutachten jede umzustellende Leitung, um die technische Sicherheit zu gewährleisten. Wichtig ist auch die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit mit Erdgas, damit es durch die Umstellungen auf Wasserstoff nicht zu Engpässen in der Erdgasversorgung kommt.
Mit dem Kernnetz wollen wir das Henne-Ei-Problem lösen und Planungssicherheit für Erzeuger und Abnehmer schaffen. Denn um Industrieprozesse auf Wasserstoff umzustellen, brauchen Abnehmer Sicherheit, dass der Wasserstoff zu planbaren Kosten zu ihnen transportiert wird. Ohne die passende Netzinfrastruktur kann sich kein Wasserstoffmarkt entwickeln. Und ohne Wasserstoffnachfrage gibt es zunächst auch keine Wasserstoffinfrastruktur. Das bedingt sich gegenseitig. Die Lösung ist das Kernnetz, das der Wasserstoffwirtschaft den entscheidenden Anschub geben soll. Denn Wasserstoff ist zentral für die Dekarbonisierung der Industrie. Wasserstoff hilft auch, die Stromversorgung in Zeiten geringer Einspeisung von Erneuerbaren zu sichern. Daher ist Wasserstoff so wichtig für das Gelingen der Energiewende.
Den Ausstieg aus den fossilen Energien können wir schaffen, wenn wir industrielle Prozesse energieeffizienter machen und auf Strom aus erneuerbaren Quellen setzen. Es gibt aber Industrien, in denen dies nicht möglich ist. Da schafft – möglichst grün erzeugter – Wasserstoff Abhilfe. In vielen industriellen Anwendungen wird Wasserstoff auch stofflich genutzt. So ist er traditionell in Raffinerien oder der Chemieindustrie sehr wichtig. Bisher wird er aus fossilen Trägern erzeugt. Künftig soll er durch grünen Wasserstoff ersetzt und zum Beispiel auch in der Eisen- und Stahlindustrie eingesetzt werden, was in der Planung des Kernnetzes bereits berücksichtigt ist.
Sie sind wichtiger Bestandteil der Planungen für das Kernnetz. Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine Importstrategie, um die resiliente und diversifizierte Versorgung mit Wasserstoff aus dem Ausland sicherzustellen. Das Wasserstoff-Kernnetz wird über transeuropäische Importkorridore eng in die europäische Wasserstoffinfrastruktur eingebunden. Der geografische Fokus liegt auf dem Nord- und Ostsee- sowie dem Mittelmeerraum mit möglichen Produktionsbasen auf der Iberischen Halbinsel und in Nordafrika.
Wasserstoff kann das Stromsystem durch seine Speicher- und Transportfähigkeit entlasten. Steht nur wenig Strom aus regenerativen Quellen zur Verfügung, beispielsweise während einer Dunkelflaute, kann Wasserstoff als stabilisierender Speicher dienen. Auch beim überregionalen Transport entlastet er die Stromnetze, wenn er im windreichen Norden erzeugt und dann per Pipeline in den Süden transportiert wird, um dort in Kraftwerken in Strom umgewandelt zu werden.
Es ist vorgesehen, die Wasserstoff-Transportleitungen wie bei Erdgas und Strom privatwirtschaftlich über Entgelte der Nutzer zu finanzieren. Da es aber zunächst nur wenige Nutzer geben wird, können die hohen Investitionskosten anfangs nicht voll auf sie umgelegt werden. Das würde die Wasserstoffnachfrage im Keim ersticken. Die Netzentgelte werden daher über die Zeit geglättet. Die Mindereinnahmen der Netzbetreiber am Anfang werden durch spätere Mehreinnahmen ausgeglichen, wenn mehr Nutzer angeschlossen sind. Die Zwischenfinanzierung erfolgt über ein Amortisationskonto, das bis 2055 ausgeglichen sein soll. Am Ende profitieren alle: Der Hochlauf wird mit gedeckelten Netzentgelten planbarer, die Kosten des Netzaufbaus verteilen sich über die Zeit fair auf die Nutzer. Und die FNB erhalten eine angemessene Verzinsung.
Der Antragsentwurf der FNB sieht vor, dass schon nächstes Jahr erste Teile des Kernnetzes in Betrieb gehen können. Zunächst werden das vorrangig umgestellte Erdgasleitungen sein. Der Aufbau des weiteren Kernnetzes soll zügig erfolgen, muss sich aber auch am Bedarf orientieren. Die Netzentwicklungsplanung bietet dafür die nötige Flexibilität, um das Kernnetz auch nach 2032 weiterzuentwickeln. So wurde nun in den parlamentarischen Beratungen die Möglichkeit ergänzt, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen künftiger Netzentwicklungspläne einzelne Projekte des Kernnetzes bis 2037 verschieben kann, ohne dass diese den Anspruch auf die Kernnetz-Finanzierung verlieren. Damit kann der Aufbau des Kernnetzes zeitlich an die tatsächliche Bedarfsentwicklung angepasst werden, was teuren Leerstand von Leitungen verhindert und die Kosteneffizienz steigert.
Mit einer Anpassung des Energiewirtschaftsrechts im Dezember haben wir bereits die Rechtsgrundlage für das Kernnetz geschaffen. Die Regelungen für die zweite Stufe und für das Finanzierungsmodell treten nach Abschluss des parlamentarischen Verfahrens in Kraft. Im Anschluss werden die FNB den Kernnetzantrag bei der Bundesnetzagentur einreichen, die ihn prüft, mit kurzer Frist konsultiert und binnen zwei Monaten genehmigt. Dann kann die operationale Umsetzung erster Leitungsprojekte starten.